Aufnahme des Luftverkehrs

Ab dem 1.1.2012 wird der zivile Luftverkehr im EU-ETS aufgenommen [2008/101/EG]. Davon sind etwa 4.000 europäische und nicht-europäische Luftverkehrsbetreiber betroffen [ATC11]; in Deutschland sind es etwa 200 Gesellschaften [BMU11]. Dabei werden die CO2-Emissionen der gesamten Strecke von innereuropäischen und interkontinentalen Flügen erfasst, die auf dem Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedslandes starten oder enden [2008/101/EG]. Ausgenommen sind Flüge von kleinen Luftverkehrsbetreibern, wie z. B. Flüge mit geringer Nutzlast (Startlast von weniger als 5.700 kg) oder Linienflüge mit geringen jährlichen Gesamtemissionen (weniger als 10.000 t CO2) bzw. geringer Beförderungskapazität (weniger als 30.000 Sitzplätze pro Jahr) [ebd.]. Bereits seit 2010 sind die Fluggesellschaften zur Überwachung und Berichterstattung ihrer CO2-Emissionen verpflichtet [Sca10, S. 196].

Da die THG-Emissionen des internationalen Luftverkehrs vom Kyoto-Protokoll ausgenommen sind [Kul10, S. 187], kann dessen Emissionsbudget unabhängig vom bestehenden Nationalen Allokationsplan, welches primär die Kyoto-Ziele berücksichtigt, festgelegt werden. In allen Mitgliedsländern beträgt das Cap einheitlich 97 Prozent im Jahr 2012 bzw. 95 Prozent von 2013 bis 2020. Es bezieht sich auf die historischen Emissionen des Luftverkehrs in der Basisperiode 2004-2006, die im Durchschnitt etwa 219,5 Mio. t CO2 betragen [EUK11]. Somit beläuft sich die zugeteilte Zertifikatemenge für den Luftverkehr im Jahr 2012 auf 212,9 Mio. t CO2 und ab 2013 auf jährlich 208,5 Mio. t CO2. Damit wird im Unterschied zum Energie- und Industriesektor nur eine Stabilisierung der Emissionen angestrebt, was jedoch angesichts der hohen Wachstumsraten1 einen bedeutenden Fortschritt für den Klimaschutz bedeutet. Durch das EU-ETS wird sogar etwa ein Drittel der weltweiten Luftverkehrsemissionen zukünftig erfasst [Sca11, S. 208].

Die Zuteilung der Zertifikate erfolgt zu 85 Prozent kostenlos über ein Benchmark-Verfahren und zu 15 Prozent über eine Auktion. Der Benchmark ist ein spezifischer CO2-Emissions­richtwert, der auf der Verkehrsleistung (Tonnenkilometer) im Jahr 2010 basiert. Zu seiner Berechnung wird das verfügbare Zertifikatevolumen (abzüglich Auktionsanteil und Sonderreserve) durch die Verkehrsleistung dividiert. Die Zuteilungsmenge eines Luftverkehrsbetreibers ergibt sich durch Multiplikation der individuellen Verkehrsleistung 2010 mit dem Benchmark. Dabei wird die Verkehrsleistung eines im Jahr 2010 absolvierten Flugs mit einer standardisierten Berechnungsmethode ermittelt: Die Flugstrecke entspricht der Großkreisentfernung2 zwischen Abflug- und Ankunftsflugplatz zuzüglich eines konstanten Werts von 95 km. Als Nutzlast kann entweder der tatsächliche Wert oder ein angenommener Standardwert verwendet werden. Letzterer ergibt sich durch Multiplikation der Passagierzahl mit 100 kg  pro Person inkl. Gepäck. [2008/101/EG]

Da die Zertifikate des Luftverkehrs nicht zum nationalen Emissionsbudget des Kyoto-Protokolls gehören, ist der Verkauf überschüssiger Zertifikate an den Energie- und Industriesektor nicht zulässig, damit dessen Emissionsbudget nicht überschritten wird [Kul10, S. 187]. Umgekehrt ist der Zukauf von Zertifikaten aus den Energie- und Industriesektoren möglich [ebd.]. Aufgrund dieser einseitigen Handelsmöglichkeiten wird eine weitere Reduzierung der Luftverkehrsemissionen unter 95 Prozent der historischen CO2-Emissionen bis 2020 theoretisch nicht eintreten.

1) Die THG-Emissionen des Luftverkehrs haben sich seit 1990 fast verdoppelt [ATC11]
2) Definition: „Der Großkreis ist die Schnittlinie einer Fläche, die durch den Erdmittelpunkt geht, mit der Erdoberfläche. […] Der Großkreis ist relevant für die Ermittlung der kürzesten Flugstrecke zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche.“ [Klu07, S. 126 f.]

 

Quellenangaben:

[2008/101/EG] Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft 
[ATC11] avantTime Consulting GmbH: EU veröffentlicht Berechnungsgrundlage für Zertifikate im Luftverkehr. Pressemitteilung vom 7.3.2011, veröffentlicht unter www.CO2-Handel.de
[BMU11] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Bundeskabinett beschließt Neuregelung des Emissionshandels. EU-Emissionshandels-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Pressemitteilung vom 16.2.2011, veröffentlicht unter www.CO2-Handel.de 
[EUK11] Europäische Kommission: Beschluss der Kommission vom 7. März 2011 über historische Luftverkehrsemissionen gemäß Artikel 3c Absatz 4 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft. Brüssel, 2011 
[Klu07] Klußmann, N.; Malik, A.: Lexikon der Luftfahrt. 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2007  
[Kul10] Kulessa, M. E.; Oschinski, M.; Seum, S.: Internationaler Seeverkehr und Klimaschutz. In: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung. DIW, Berlin, 2010, Jg. 79, Heft 2, S. 179-193 
[Sca10] Schaefer, M.; Scheelhaase, J.; Grimme, W.; Maertens, S.: Ökonomische Effekte des EU-Emissionshandelssystems auf Fluggesellschaften und EU-Mitgliedsstaaten - Ein innovativer Modellierungsansatz. In: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung. DIW, Berlin, 2010, Jg. 79, Heft 2, S. 194-210 



Letzte Änderung: 05.08.2011 - Ansprechpartner: Webmaster